Nachdem Zivilprozesse naturgemäß für eine oder mehrere der Parteien nicht wie erwartet oder gewünscht ausgehen, stellt sich bei der unterliegenden Partei zumeist die Frage, ob und wie gegen die Entscheidung der ersten Instanz vorgegangen werden kann.

Das Rechtsmittel gegen Urteile der I. Instanz eines österreichischen Zivilgerichts wird Berufung genannt. Der gegenständliche Beitrag soll die häufigsten Fragen im Zusammenhang mit der Berufung beantworten und Interessierten eine erste Übersicht über die möglichen Berufungsgründe geben.

Allgemeines zur Berufung

Die Berufung der im Prozess (teilweise) unterliegenden Partei ermöglicht die Überprüfung der Entscheidung der I. Instanz durch ein Gericht höherer Instanz. Entscheidungen eines Bezirksgerichts werden vom jeweiligen Landesgericht überprüft. Wurde der Prozess vor dem Landesgericht als I. Instanz geführt, steht die Überprüfung der Entscheidung dem Oberlandesgericht zu. In jedem Fall ist die Berufung beim Gericht I. Instanz einzubringen, das zunächst prüft, ob die formalen Voraussetzungen wie etwa die fristgerechte Einbringung vorliegen, und dann die Berufung der Rechtsmittelinstanz vorlegt.

Die Frist für die Einbringung der Berufung beträgt 4 Wochen ab Zustellung der Entscheidung I. Instanz. Ist die Entscheidung des Erstgerichts mündlich ergangen, was eher die Ausnahme ist, muss die Berufung entweder sofort mündlich oder schriftlich innerhalb von 14 Tagen ab Zustellung des Verhandlungsprotokolls angemeldet werden. Nach Einlangen der Berufung bei Gericht wird diese der Gegenseite zugestellt, die dann ebenfalls 4 Wochen Zeit hat, eine sogenannte Berufungsbeantwortung zu erstatten.

Im Rechtsmittelverfahren herrscht Anwaltspflicht. Die Berufung ist daher zwingend von einem Rechtsanwalt einzubringen, was durchaus auch stimmig ist, zumal bei der Ausformulierung und Strukturierung der Berufung gewisse Formalia einzuhalten sind und deren Nichteinhaltung mangels gesetzmäßiger Ausführung zur Zurückweisung des Rechtsmittels führt.

Ebenso ist das Neuerungsverbot zu beachten. Aufgabe der Rechtsmittelinstanz ist die Prüfung der erstgerichtlichen Entscheidung, nicht aber die erneute Durchführung des Verfahrens. Im Rechtsmittelverfahren dürfen also keine neuen Ansprüche, Einreden, Vorbringen oder Beweismittel erhoben werden.

Eine Verhandlung vor dem Berufungsgericht ist eher die Ausnahme und kann nur amtswegig von der Rechtsmittelinstanz angesetzt werden, wenn der Berufungssenat dies im einzelnen Fall, so etwa wegen der Komplexität der zu entscheidenden Rechtssache, für erforderlich hält. Sonst erfolgt die Entscheidung gemäß § 480 Abs 1 ZPO in nicht öffentlicher Sitzung ohne vorhergehende mündliche Verhandlung.

Berufungsgründe

Gegen das erstinstanzliche Urteil können die folgenden Gründe in der Berufung vorgebracht werden:

  1. Nichtigkeit des Verfahrens
  2. Mangelhaftigkeit des Verfahrens
  3. Aktenwidrigkeit
  4. Unrichtige Sachverhaltsfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung
  5. Unrichtige rechtliche Beurteilung

Zum besseren Verständnis dieser Berufungsgründe sei erwähnt, dass das Urteil eines österreichischen Zivilgerichts üblicherweise besteht aus dem wesentlichen Vorbringen der Parteien, dem vom Gericht festgestellten Sachverhalt, der Beweiswürdigung, in der das Gericht darlegt, aufgrund welcher Beweise es den festgestellten Sachverhalt für wahr hält, und schlussendlich aus der rechtlichen Beurteilung.

Die folgende Aufzählung ist keinesfalls als abschließend zu betrachten, sondern soll lediglich einige der grundsätzlich in Frage kommenden Berufungsgründe aufzeigen.

In einem Verfahren mit einem EUR 2.700 nicht übersteigenden Streitwert ist die Berufung nur wegen Nichtigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung zulässig (sog. Bagatellberufung).

A. Nichtigkeit des Verfahrens

Nichtigkeitsgründe sind unter anderem die Verletzung des rechtlichen Gehörs (wie etwa keine Zustellung der Ladung oder unterlassene Durchführung einer mündlichen Verhandlung), ein äußerst mangelhaftes Urteil (etwa ohne jegliche Beweiswürdigung oder Feststellungen), Entscheidungen durch einen ausgeschlossenen oder rechtskräftig abgelehnten Richter oder die mangelnde inländische Gerichtsbarkeit.

B. Mangelhaftigkeit des Verfahrens (sonstiger Verfahrensmangel)

Das Verfahren kann beispielsweise dann mangelhaft sein, wenn die Sachanträge (wie die Klage) nicht vollständig erledigt wurden, das Gericht also etwa im Urteil zu wenig, zu viel oder etwas anderes als in der Klage begehrt worden ist zugesprochen hat (§ 496 Abs 1 Z 1 ZPO).

Aber auch die mangelnde Begründung des Urteils kann einen Verfahrensmangel darstellen. So etwa wenn sich das Gericht im Urteil mit wesentlichen Beweisergebnissen nicht beschäftigt, nicht auf Widersprüche zwischen Beweisergebnissen eingeht oder wesentliche Punkte des Verfahrens nicht berücksichtigt.

Die Mangelhaftigkeit des Verfahrens kann weiters im Fall solcher Mängel geltend gemacht werden, die eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Sache verhindern (§ 496 Abs 1 Z 2 ZPO). Darunter sind etwa Überraschungsentscheidungen des Gerichts zu verstehen, die es mangels Erörterung der Rechtsansicht des Gerichts den Parteien verunmöglichen, zu dieser Ansicht Stellung zu nehmen und entsprechende Beweisanträge zu stellen oder auch die vorgreifende Beweiswürdigung durch das Gericht.

Darüber hinaus gibt es noch zahlreiche weitere Gründe, die zu einer Mangelhaftigkeit des Verfahrens führen können, wie etwa die Verletzung des Rechts der Streitteile auf Beteiligung an der Beweisaufnahme und ihres Fragerechts, die Verletzung des Gebots der erneuten Aufnahme unmittelbar aufgenommener Beweis im Falle eines Richterwechsels, Zustellmängel oder der Verstoß gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz. Auf Grundlage des Urteils und des gesamten bisherigen Aktes kann geprüft werden, ob derartige Gründe vorliegen.

C. Aktenwidrigkeit

Der Berufungsgrund der Aktenwidrigkeit kann vorliegen, wenn die Feststellungen im Urteil mit den Beweisergebnissen im Akt in Widerspruch stehen.

D. Unrichtige Sachverhaltsfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung

Mit diesem Berufungsgrund kann die Beweiswürdigung des Gerichts bekämpft werden. Das Gericht kommt aufgrund seiner Beweiswürdigung zu bestimmten Feststellungen, auf die es dann seine rechtliche Beurteilung stützt.

Ist der Berufungswerber der Ansicht, dass aufgrund der Beweisergebnisse des Verfahrens eine andere Feststellung hätte getroffen werden müssen, hat dieser (vereinfacht dargestellt) die bekämpfte Feststellung anzugeben, vorzubringen, weshalb das dieser Feststellung zugrundeliegende Beweisergebnis falsch gewürdigt wurde und warum anderen Beweisergebnissen stattdessen der Vorzug zu geben wäre und die statt der ursprünglichen Feststellung gewünschte Ersatzfeststellung zu benennen.

E. Unrichtige rechtliche Beurteilung

Bei diesem Berufungsgrund hat der Berufungswerber strikt vom Gericht im Urteil festgestellten Sachverhalt auszugehen und dabei aufzuzeigen, weshalb das Erstgericht diesen aus rechtlicher Sicht unrichtig beurteilt hat.

Einen Unterfall der unrichtigen rechtlichen Beurteilung stellen die sogenannten sekundären Verfahrensmängel dar. Ein solcher kann vorliegen, wenn das Erstgericht es verabsäumt, gewisse Feststellungen zu treffen, die für die richtige rechtliche Beurteilung erforderlich gewesen wären.

Notwendigkeit eines Berufungsantrags

Gemäß § 467 Z 3 ZPO muss die Berufung einen Berufungsantrag enthalten, worin der Berufungswerber erklärt, ob er die Aufhebung oder die Abänderung des Urteils begehrt. Ob die Aufhebung oder die Abänderung beantragt wird, hängt in erster Linie von den geltend gemachten Berufungsgründen ab.

Das Berufungsgericht kann die Berufung zurückweisen, das Urteil aufheben und die Sache an das Erstgericht zwecks Ergänzung des Verfahrens zurückverweisen, der Berufung stattgeben und das Urteil abändern oder die Berufung abweisen und das Urteil bestätigen.

Erfolgsaussichten einer Berufung

Eine nähere Einschätzung zu den Erfolgsaussichten einer Berufung kann erst nach detailliertem Studium des Aktes und des Urteils getroffen werden. Aber selbst in diesem Fall ist eine bindende Prognose zum Ausgang des Verfahrens nur schwer möglich.

Kosten einer Berufung

Der Berufungswerber hat jedenfalls mit der Gerichtsgebühr für das Verfahren II. Instanz in Vorleistung zu treten. Diese berechnet sich nach dem Gerichtsgebührengesetz (GGG) auf Basis der Höhe des Streitwerts des Verfahrens. So beträgt etwa bei einem Streitwert von EUR 30.000 die Gerichtsgebühr für das Berufungsverfahren gemäß dem GGG EUR 1.219.

Das Honorar des eigenen Rechtsanwalts für die Erstellung und Einbringung der Berufung unterliegt grundsätzlich der freien Vereinbarung. Wird mit dem Rechtsanwalt die Abrechnung auf Grundlage des Rechtsanwaltstarifgesetzes (RATG) vereinbart, dann wird dessen Honorar ebenso unter Heranziehung des RATG auf Grundlage des Streitwertes berechnet. Abhängig vom Einzelfall ist aber ebenso die Vereinbarung eine Pauschalhonorars mit den Rechtsanwalt denkbar.

Nach dem im Zivilprozess geltenden Obsiegensprinzip sind der letztendlich vollständig obsiegenden Partei ihre Prozesskosten (grundsätzlich und abgesehen von bestimmten Ausnahmen) durch die unterliegende Partei zu ersetzen.

Berufungsbeantwortung

Der Berufungsgegner hat die Möglichkeit, binnen 4 Wochen ab Zustellung der Berufung mit der Berufungsbeantwortung zu den in der Berufung vorgebrachten Punkten Stellung zu nehmen. Ziel der Berufungsbeantwortung ist es, die vom Berufungswerber vorgebrachten Argumente möglichst zu entkräften, über das Urteil hinaus weitere Gründe vorzubringen, die für die Richtigkeit des Urteils sprechen und die gesetzmäßigen Ausführung der Berufung in Frage zu stellen.

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