Pflegenden Angehörigen gebührt unter Umständen eine Zuwendung aus der Verlassenschaft für ihre Pflegeleistungen

Die Frage der Pflege von älteren Personen ist aktuell ein großes Thema. Mit dem Pflegevermächtnis will der Gesetzgeber Angehörige, die Pflegeleistungen übernehmen begünstigen. Damit sollen auch gesamtgesellschaftlich gesehen wertvolle Pflegeleistungen von Angehörigen gewürdigt werden.

Anspruch auf das gesetzliche Pflegevermächtnis

Das Pflegevermächtnis ist gesetzlich angeordnet. Es steht bei Erfüllung der Voraussetzungen daher auch ohne letztwillige Anordnung des Erblassers zu. Anspruchsberechtigt sind die gesetzlichen Erben, aber auch deren Partner, Kinder sowie Lebensgefährten des Erblassers und deren Kinder. Der Kreis der Berechtigten ist damit weiter als die gesetzlichen Erben. Berechtigt sind auch pflegende Stief- und Schwiegerkinder sowie Lebensgefährten, die nicht unbedingt im gemeinsamen Haushalt mit dem Erblasser gewohnt haben müssen. Um Missbrauch zu verhindern, müssen Lebensgefährten aber einige Mindestanforderungen erfüllen. So muss die Lebensgemeinschaft nach der Rechtsprechung zumindest eheähnlich und auf Dauer ausgerichtet gewesen sein. Personen, die in keinerlei Naheverhältnis zum Erblasser stehen, haben keinen Anspruch auf ein Pflegevermächtnis.

Voraussetzungen für das Pflegevermächtnis

Anspruchsberechtigt sind angehörige Person, die den Erblasser während der letzten drei Jahre vor dessen Tod insgesamt mindestens sechs Monate in nicht bloß geringfügigem Ausmaß gepflegt haben. Bei mindestens 20 Stunden im Monat wird davon ausgegangen, dass die Leistungen nicht geringfügig waren. Es kommt aber auch auf die Intensität der Pflege an. Der Erblasser muss pflegebedürftig gewesen sein. Das Beziehen von Pflegegeld ist nach der Rechtsprechung ein starkes Indiz für das Bestehen von Pflegebedürftigkeit. Unter Pflege versteht man Unterstützungsleistungen für Tätigkeiten, die der Erblasser nicht mehr selbständig vornehmen konnte. Dazu zählen nicht nur medizinische Leistungen, also Pflege im professionellen Sinn. Vielmehr sind darunter alle notwendigen Hilfestellungen und Betreuungen bei der Lebensführung zu verstehen. Unter „Betreuung“ sind „alle in relativ kurzer Folge notwendigen Verrichtungen anderer Personen zu verstehen, die vornehmlich den persönlichen Lebensbereich betreffen und ohne die der pflegebedürftige Mensch der Verwahrlosung ausgesetzt wäre.“ Dazu zählen Verrichtungen wie das An- und Auskleiden, Unterstützung bei der Körperpflege, der Zubereitung und Einnahme von Mahlzeiten, der Verrichtung der Notdurft, der Einnahme von Medikamenten und der Mobilitätshilfe ieS. Der Begriff „Hilfe“ umfasst alle „aufschiebbaren Verrichtungen anderer Personen, die den sachlichen Lebensbereich betreffen und zur Sicherung der Existenz erforderlich sind.“ Darunter fallen die Herbeischaffung von Nahrungsmitteln, Medikamenten und Bedarfsgütern des täglichen Lebens, die Reinigung der Wohnung und der persönlichen Gebrauchsgegenstände, die Pflege der Leib- und Bettwäsche, die Beheizung des Wohnraumes einschließlich der Herbeischaffung von Heizmaterial und die Mobilitätshilfe iwS. Im Ergebnis erweist sich somit der Begriff „Pflege“ gem § 677 Abs 2 ABGB als sehr weit gefasst, der alle (nicht medizinischen) Unterstützungsleistungen zugunsten des Erblassers zu erfassen vermag, die sowohl das physische als auch psychische Wohl des Pflegebedürftigen fördern.

Höhe und Ausschluss des Pflegevermächtnisses

Das Pflegevermächtnis ist ein gesetzlicher Anspruch auf Geldleistungen. Die Höhe des Pflegevermächtnisses richtet sich nach Art, Dauer und Umfang der Pflegeleistungen. Erhielt die pflegende Person für die Leistungen bereits ein Entgelt oder eine sonstige Zuwendung, entfällt das Pflegevermächtnis. Das gilt auch, wenn der Angehörige Zuwendungen der öffentlichen Hand für die Pflege bezog, wie beispielsweise erhöhte (Familien-)Beihilfen. Pflegeleistungen sollen nicht doppelt abgegolten werden. Sind die bisherigen Zuwendungen geringer als der Wert des Pflegevermächtnisses, ist die Differenz durch das Pflegevermächtnis zu begleichen. Als Hilfe zur Berechnung des Pflegevermächtnisses kann der Mindestlohntarif für im Haushalt Beschäftigte herangezogen werden. Die konkrete Höhe des Pflegevermächtnisses kann davon aber nach den Umständen des Einzelfalls abweichen.

Das Pflegevermächtnis als Vorausvermächtnis

Das Pflegevermächtnis ist ein sogenanntes Vorausvermächtnis. Es steht unabhängig von einem allfälligen Pflichtteil und unabhängig von der gesetzlichen Erbquote zu. Es gebührt außerdem zusätzlich zu allfälligen sonstigen letztwilligen Bedenkungen. Allerdings kann der Erblasser letztwillig verfügen, dass das Pflegevermächtnis auf den gesetzlichen Erbteil oder letztwillige Zuwendungen anzurechnen ist. Eine Anrechnung auf den Pflichtteil ist nicht möglich. Entzogen werden kann das Pflegevermächtnis nur bei Vorliegen von Erbunwürdigkeits- oder Enterbungsgründen.

Geltendmachung und Verjährung

Besteht ein Anspruch auf ein Pflegevermächtnis, versucht der Gerichtskommissär im Verlassenschaftsverfahren, ein Einvernehmen darüber herbeizuführen. Wird keine Einigung erzielt, kann die berechtigte Person das Pflegevermächtnis im streitigen Verfahren geltend machen, sprich, den jeweiligen Betrag einklagen. Der Anspruch auf das Pflegevermächtnis verjährt grundsätzlich nach drei Jahren. Die Verjährungsfrist beginnt frühestens ein Jahr nach dem Tod des Erblassers.

Bereicherungsrechtliche Ansprüche

Neben dem Anspruch auf das Pflegevermächtnis kann ein pflegender Angehöriger unter Umständen auch einen Bereicherungsanspruch geltend machen. Das kann vor allem sinnvoll sein, wenn die Verlassenschaft überschuldet ist. Ein bereicherungsrechtlicher Anspruch ist nämlich gleichwertig mit sonstigen Ansprüchen von Gläubigern. Das Pflegevermächtnis geht hingegen allfälligen Gläubigern nach und kann unter Umständen gekürzt werden. Pflegende ohne Angehörigeneigenschaft können zwar kein Pflegevermächtnis, bei Erfüllen der Voraussetzungen aber bereicherungsrechtliche Ansprüche geltend machen.

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