Unter Beweissicherung versteht man im Zivilprozessrecht die vorsorgliche Beweisaufnahme. In bestimmten Fällen kann es vorkommen, dass Beweise zum entscheidenden Zeitpunkt im Prozess nicht mehr zur Verfügung stehen. Deshalb ermöglicht die Beweissicherung die vorsorgliche Sicherung von Beweisen vor dem Zivilprozess oder vor der regulären Beweisaufnahme. Neben dem Vorbeugen von Beweisverlust kann das Beweissicherungsverfahren auch die Prozessbeschleunigung oder sogar Prozessvermeidung bezwecken. Streitige Rechtsfragen lassen sich oft schon auf Grund der Ergebnisse des Beweissicherungsverfahrens beantworten.

Gerichtliche Geltendmachung

Die Beweissicherung kann unabhängig von einem allfälligen späteren Hauptverfahren beantragt werden. Die Antragstellung ist somit vor Klagseinbringung, gemeinsam mit der Klage oder auch eigenständig möglich. In der Praxis ist das selbständige Beweisverfahren vor Einleitung eines späteren Prozesses der häufigste Fall. Die Beweissicherung kann aber auch noch während eines bereits laufenden Verfahrens beantragt werden. Im Antrag muss auch der Gegner der Beweissicherung, soweit möglich, benannt werden. Zuständig für das Beweissicherungsverfahren ist grundsätzlich das Prozessgericht. Ist der Rechtsstreit noch nicht gerichtsanhängig oder in dringenden Fällen ist das Bezirksgericht, in dessen Sprengel sich das Beweisobjekt oder der Zeuge befindet, zuständig.

Rechtsschutzinteresse

Voraussetzung für die Bewilligung der Beweissicherung ist das Vorliegen eines besonderen Rechtsschutzbedürfnisses. Die Beweissicherung kann demnach beantragt werden, wenn die künftige Beweisaufnahme gefährdet scheint, weil die Beweisvereitelung oder Beweiserschwerung droht. Beispiele dafür sind die Verderblichkeit eines Beweismittels oder die lebensgefährliche Erkrankung eines Zeugen. Außerdem ist die Beweissicherung möglich, wenn der Antragsteller ein rechtliches Interesse an der Feststellung des gegenwärtigen Zustands einer Sache hat. Rechtliches Interesse liegt insbesondere vor, wenn die Feststellung des Zustands einen Anspruch des Antragstellers begründen oder beweisen kann. Das kann beispielsweise bei Mängeln an einer Sache im Gewährleistungsrecht von Bedeutung sein. Der Begriff des rechtlichen Interesses darf nicht zu streng ausgelegt werden.

Arten von Beweisen

Zulässig ist das Beweissicherungsverfahren laut Gesetz ausdrücklich für Augenscheins-, Zeugen- und Sachverständigenbeweise. In der Praxis ist der Sachverständigenbeweis der häufigste Fall einer Beweissicherung. Im Sachverständigenbeweis darf grundsätzlich allerdings nur der gegenwärtige Zustand einer Sache beschrieben werden. Das beschränkt den Sachverständigenbeweis auf die Befundaufnahme. Die Erstattung eines Gutachtens ist im Rahmen der Beweissicherung nicht vorgesehen, wobei eine Abgrenzung von Gutachten und Befund im Einzelfall schwierig sein kann.

Beweissicherung bei Baumängeln

Die Beweissicherung ist in der Praxis besonders bedeutsam für baurechtliche Themen. Soll etwa weitergebaut werden, ohne dass der Ausgang eines langwierigen Zivilprozesses abgewartet werden kann, ist ein Beweissicherungsverfahren unumgänglich. Darin wird vom gerichtlich bestellten Sachverständigen der aktuelle Zustand des Bauvorhabens festgestellt und nachdem dieser Zustand dokumentiert wurde, kann weitergebaut werden. In Bauangelegenheiten kann das Beweissicherungsverfahren einerseits zur Vorbereitung von Gewährleistungsprozessen, andererseits auch zur Vermeidung eines Rechtsstreits dienen. So kann beispielsweise in einem Bauprozess das Ergebnis des Beweissicherungsverfahrens dazu führen, dass das Vorliegen eines Mangels nicht mehr strittig ist.

Verfahren

Das zuständige Gericht entscheidet über einen Beweissicherungsantrag mit Beschluss. Der Richter ordnet im Bewilligungsbeschluss die durchzuführende Beweisaufnahme an und bestellt gegebenenfalls einen Sachverständigen. Die Bewilligung der Beweissicherung ist nicht anfechtbar, während die Abweisung des Beweissicherungsantrags sehr wohl bekämpft werden kann. Der Gegner des Beweissicherungsverfahrens wird, soweit bekannt, in das Verfahren miteinbezogen. Er kann der Beweissicherung zustimmen, sich zur Zulässigkeit des Beweissicherungsantrags äußern und an der Beweisaufnahme teilnehmen. Bei Gefahr in Verzug kann eine Vernehmung des Gegners entfallen. Die Vornahme der Beweisaufnahme kann vom Erlag eines Kostenvorschusses durch den Antragsteller abhängig gemacht werden.

Kosten

Der Antragsteller muss die Kosten im Beweissicherungsverfahren vorläufig zur Gänze selbst tragen. Die Kosten umfassen alle Kosten für Schriftsätze, wie Beweissicherungsantrag und gegebenenfalls Rekurs und Rekursbeantwortung sowie die Kosten der Beweisaufnahme selbst (z.B. Sachverständigenkosten). Außerdem hat der Antragsteller auch dem Gegner die notwendigen Kosten für dessen Beteiligung an der Beweisaufnahme zu ersetzen. Die Kosten der Beweissicherung kann der Antragsteller in einem allfälligen späteren Hauptverfahren geltend machen.

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